Geschichte der Osteopathie

Die Ursprünge der Osteopathie (griech. „osteon“ – Knochen und „pathos“ – Leiden, im Sinne von: „Knochen als Hebel gegen das Leiden“e) liegen im 19. Jahrhundert in Amerika. Andrew Taylor Still (1828 – 1917), Sohn eines methodistischen Priesters und Arztes, begründete, basierend auf seinen Erfahrungen als Landarzt und Familienvater, der innerhalb kürzester Zeit zwei seiner Kinder und ein Adoptivkind durch Krankheit verlor, die Osteopathie. Ausgangspunkt des osteopathischen Konzeptes war die Überlegung, dass sämtliche körperlichen Vorgänge nur dann ungestört ablaufen können, wenn die Beweglichkeit aller Knochen, Muskeln und Nerven, auch die der Organe bis hin zu den kleinsten Körperzellen, gegeben ist. Sobald kleinere oder größere Teilbereiche eingeschränkt sind, beeinflusst dies den gesamten Organismus und kann sein intaktes Gleichgewicht stören. Durch seine profunden Kenntnisse der funktionellen Anatomie konnte Still beobachten, dass der Körper im Falle von Verletzungen zu Kompensationsmechanismen greift, durch die zwar kurzfristig geschädigte Strukturen geschont werden, sich jedoch auf längere Dauer Krankheitssymptome entwickeln.

Am 22. Juni 1874 brachte Still ein konkretes Ereignis dazu, ein neues Behandlungskonzept zu entwickeln, das seine bisherigen Einsichten und eine neue Erkenntnis miteinander verband – dies markiert die Geburtsstunde der Osteopathie: Als Still mit einem Freund in der Stadt unterwegs war, begegnete er einer Mutter mit drei kleinen Kindern. Er erkannte sofort, dass eines der Kinder an der Ruhr erkrankt war, was zu dieser Zeit den sicheren Tod bedeutete. Still nahm das Kind auf den Arm und behandelte es auf folgende Weise: Mit einer Hand behandelte er die Wirbelsäule und die Paravertebralmuskulatur, wie es die Bonesetter machten. Die andere Hand legte er auf den Bauch des Kindes und fühlte sich in das Gewebe hinein, wie es die Geistheiler taten. Nach kurzer Zeit merkte er, wie sich gleichzeitig mit der Entspannung der Paravertebralmuskulatur die Peristaltik im Bauch des Kindes verbesserte. Das Kind wurde gerettet und nach ihm noch 17 andere, wie Still in seiner Autobiographie schrieb. Er beschloss, seinen Ansatz auch anderen Medizinern zugänglich zu machen und begann, Osteopathen auszubilden. 1892 gründete Still die weltweit erste Osteopathieschule, die American School of Osteopathy in Kirksville, Missouri.

Anfang des 20. Jahrhunderts kehrte J. M. Littlejohn – ein Schüler von Still, der aus Schottland gekommen war – nach England zurück und gründete 1917 in London die British School of Osteopathy, die erste Ausbildungsstätte von Osteopathen in Europa.

William Garner Sutherland, ein weiterer Schüler von Still, veröffentlichte 1939 den Beitrag „Die Schädelsphäre“, womit die Craniale Osteopathie begründet war.

Von England gelangte die osteopathische Idee in den 50er Jahren auf das europäische Festland, wo sie sich vor allem in Frankreich schnell verbreitete. Es war auch ein Franzose, Jean-Pierre Barral, der eine weitere Säule der Osteopathie begründet hat, das sog. „viszerale Behandlungskonzept“.